Wasserrecht in Österreich
Grundlagen
Wasser ist für Mensch, Tier und Pflanzen eine unverzichtbare Ressource.
Wasser wird für die Trinkwasserversorgung von privaten Haushalten und Arbeitsstätten, Nutzwasser für die Landwirtschaft, die Industrie, Gewerbe sowie für Erholungsräume (Parks, Bäder etc) gebraucht. Ohne Wasser könnten Fauna und Flora nicht existieren.
Gewässer und ihre Ufer bieten auch Platz für die Freizeitgestaltung und die Erholung.
Auch die Nutzung der motorischen Kraft des Wassers als erneuerbare Energiequelle spielt eine immer wichtigere Rolle.
Interessenkonflikte sind angesichts der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten unvermeidbar. Sie zu lösen, obliegt verschiedenen öffentlichen Stellen (Behörden und Gerichten), bedarf aber auch der Unterstützung durch Fachleute (Ziviltechniker sowie Ingenieurbüros) und in der Wasserwirtschaft erfahrene Rechtsberater.
Daher kommt eine Gesellschaft, ob in Europa oder sonst wo in der Welt, nicht ohne (gesetzliche) Regelungen aus, die die Wasserressourcen und deren Qualität nachhaltig bewahren helfen und die Nutzungsrechte daran je nach gesellschaftlichem Konsens fair auf die Interessenten verteilen.
Gleichzeitig geht von Wasser stets die Gefahr von Überschwemmungen und Hochwässern aus, die eine Regulierung des Wasserlaufes erfordert.
Die Ressource Wasser steht daher in einem Spannungsfeld zwischen Schutz, Nutzung und Regulierung.
Gesetzgebung und Vollziehung in Österreich
Die Gesetzgebung in wasserrechtlichen Angelegenheiten und deren Vollziehung ist gem Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG Bundessache.
Aus Art 102 B-VG ergibt sich, dass die Vollziehung der Bundesgesetze zum Wasserrecht in mittelbarer Bundesverwaltung erfolgt.
Demnach sind der Landeshauptmann sowie die ihm unterstellten Landesbehörden (Bezirkshauptmannschaften) und in Städten mit eigenem Statut die Bürgermeister mit der Vollziehung des Wasserrechts betraut. Als Rechtsmittelinstanzen werden in Wasserrechtssachen die Landesverwaltungsgerichte und letztendlich der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof tätig.
Zuweilen sind auch die (ordentlichen) Gerichte damit beschäftigt.
Rechtsgrundlagen
Das Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG) ist die wesentliche nationale Rechtsgrundlage des in Österreich geltenden Wasserrechts. Es trat am 17.10.1959 in Kraft (BGBl 1959/215) und wurde seitdem mehrfach novelliert; zuletzt durch das Aarhus-Beteiligungsgesetz 2018, BGBl 2018/73.
Das WRG beinhaltet – zusammengefasst – Regelungen für folgende Themenkreise:
- die rechtlichen Eigenschaften der Gewässer;
- die Benutzung der Gewässer;
- die nachhaltige Bewirtschaftung, insbesondere den Schutz und die Reinhaltung der Gewässer;
- die Abwehr und Pflege der Gewässer;
- allgemeine wasserwirtschaftliche Verpflichtungen;
- die Planung und Durchführung von Maßnahmen zur nachhaltigen Bewirtschaftung zum Schutz und zur Reinhaltung sowie zur Abwehr und zur Pflege der Gewässer;
- die Erhebung des Zustands von Gewässern;
- die Zwangsrechte;
- die Wassergenossenschaften und Wasserverbände;
- die Behörden und Verfahren sowie
- die Aufsicht über Gewässer und Wasseranlagen.
Weitere wesentliche nationale Rechtsgrundlagen sind das Bundes-Umwelthaftungsgesetz (B-UHG), Umweltförderungsgesetz (UFG), Umweltinformationsgesetz (UIG), Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000), Umwelt- und Wasserwirtschaftsfondsgesetz (UWFG) sowie das Wasserbautenförderungsgesetz (WBFG).
Zu den wichtigsten europarechtlichen Rechtsgrundlagen zählen die
- Richtlinie 2000/60/EG zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie). Diese enthält EU-weit einheitliche Qualitätsziele für einen guten ökologischen und chemischen Zustand der Gewässer und verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Durchführung der erforderlichen Maßnahmen, um den guten Zustand zu erreichen oder zu erhalten;
- Richtlinie 2006/118/EG zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung und Verschlechterung (Grundwasserschutzrichtlinie). Diese definiert europaweit einheitliche Grundwasserqualitätsnormen sowie Kriterien für die Festlegung von Schwellenwerten durch die Mitgliedsstaaten. Weiters sieht die Richtlinie Maßnahmen zur Verhinderung oder Begrenzung des Eintrags von Schadstoffen in das Grundwasser vor;
- Richtlinie 2007/60/EG über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken (Hochwasserrichtlinie). Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, jene Einzugsgebiete und zugehörigen Küstengebiete zu ermitteln, für die ein signifikantes Hochwasserrisiko besteht, und für diese Gebiete Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten sowie Pläne für das Hochwasserrisikomanagement zu erstellen.
Zuständigkeitsregeln
Die Zuständigkeiten für wasserrechtliche Angelegenheiten sind in den §§ 98 bis 101 WRG geregelt:
Grundsätzlich sind für alle wasserrechtlichen Angelegenheiten, die keiner anderen Behörde zugewiesen sind, die Bezirksverwaltungsbehörden zuständig.
Der Landeshauptmann ist insbesondere zuständig für
- Angelegenheiten, die Grenzgewässer gegen das Ausland betreffen;
- Wasserkraftanlagen mit einer Höchstleistung von mehr als 500 kW;
- Wasserversorgungsanlagen mit einer höchstmöglichen Wasserentnahme von 300 l/min aus Grundwasser oder einer Quelle oder von 1.000 l/min aus anderen Gewässern;
- die Einleitung von Abwässern aus Siedlungsgebieten mit einem Abwasseranfall von mehr als 20.000 Einwohnergleichwerten;
- Angelegenheiten der Wasserverbände und Zwangsgenossenschaften.
Der Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus ist insbesondere zuständig für
- Donaukraftwerke und sonstige Großkraftwerke;
- Sperrenbauwerke, deren Höhe über Gründungssohle 30 Meter übersteigt oder durch die eine Wassermenge von mehr als 5.000.000 m3 zurückgehalten wird;
- Maßnahmen mit erheblichen Auswirkungen auf Gewässer anderer Staaten;
- Wasserversorgungsanlagen eines Versorgungsgebietes von mehr als 1.000.000 Einwohnern;
- großräumig wirksame Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserhaushalts, die sich über mindestens zwei Länder erstrecken;
- die Bildung von Zwangsverbänden, die sich über mindestens zwei Länder erstrecken.
In bestimmten Fällen haben aber auch andere Behörden wasserrechtliche Bestimmungen (mit-)anzuwenden (zB die Gewerbehörde).
Einteilung der Gewässer
Das WRG teilt die Gewässer in öffentliche und private Gewässer.
Zu den öffentlichen Gewässern zählen
- die in Anhang A des WRG aufgezählten Ströme, Flüsse, Bäche und Seen mit all ihren Armen, Seitenkanälen und Verzweigungen;
- Gewässer, die schon vor Inkrafttreten des WRG 1959 anlässlich der Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung als öffentliche Gewässer behandelt wurden sowie
- jene Gewässer, die im WRG nicht ausdrücklich als Privatgewässer bezeichnet sind.
Privatgewässer sind insbesondere
- das in einem Grundstück enthaltene unterirdische Wasser (Grundwasser);
- das aus einem Grundstück zutage quellende Wasser (Tagwasser);
- die sich auf einem Grundstück aus atmosphärischen Niederschlägen sammelnden Wässer (Oberflächenwasser);
- das in Brunnen, Zisternen, Teichen oder anderen Behältern enthaltene und das in Kanälen, Röhren usw für Verbrauchszwecke abgeleitete Wasser, sofern die Bestimmungen des § 2 Abs 1 lit a und b WRG (öffentliche Gewässer) nicht entgegenstehen;
- Seen, die von keinem öffentlichen Gewässer gespeist oder durchflossen werden;
- die Abflüsse aus den genannten Gewässern bis zu ihrer Vereinigung mit einem öffentlichen Gewässer.
Die Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Gewässern ist vor allem für die Benutzung der Gewässer von grundlegender Bedeutung.
Wasserbenutzung
Die rechtmäßige Benutzung öffentlicher Gewässer ist entweder im Rahmen des – unentgeltlichen, bewilligungsfreien und zustimmungsfreien – Gemeingebrauchs (§ 8 Abs 1 WRG) oder aufgrund einer besonderen Bewilligung (etwa nach § 9 oder § 32 WRG) möglich:
Der gewöhnliche, ohne besondere Vorrichtungen vorgenommene, die gleiche Benutzung durch andere nicht ausschließende Gebrauch des Wassers, wie insbesondere zum Baden, Waschen, Tränken, Schwemmen, Schöpfen, die Gewinnung von Pflanzen, Schlamm, Erde, Sand, Schotter, Steinen und Eis sowie die Benutzung der Eisdecke, soweit dadurch weder der Wasserlauf, die Beschaffenheit des Wassers oder die Ufer gefährdet noch ein Recht verletzt oder ein öffentliches Interesse beeinträchtigt noch jemandem ein Schaden zugefügt wird, ist ohne besondere Bewilligung der Wasserrechtsbehörde unentgeltlich erlaubt (Gemeingebrauch, § 8 Abs 1 WRG). Diese Befugnis steht jedermann zu.
Jede über den Gemeingebrauch hinausgehende Benutzung eines öffentlichen Gewässers sowie die Errichtung oder Änderung der zur Benutzung der Gewässer dienenden Anlagen bedarf einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde (§ 9 Abs 1 WRG).
Die Benutzung der Privatgewässer steht mit den durch Gesetz oder durch besondere Rechtstitel begründeten Beschränkungen denjenigen zu, denen sie gehören (§ 5 Abs 2 WRG).
Der Grundeigentümer bedarf zur Benutzung des – als Privatgewässer zu qualifizierenden – Grundwassers für den notwendigen Haus- und Wirtschaftsbedarf nur dann einer wasserrechtlichen Bewilligung, wenn die Förderung nur durch handbetriebene Pump- oder Schöpfwerke erfolgt oder wenn die Entnahme in einem angemessenen Verhältnis zum eigenen Grund steht (§ 10 Abs 1 WRG).
An privaten Flüssen, Bächen und Seen ist der Gebrauch des Wassers zum Tränken und zum Schöpfen mit Handgefäßen, soweit er ohne Verletzung von Rechten oder öffentlicher oder privater Interessen mit Benutzung der dafür erlaubten Zugänge stattfinden kann, jedermann ohne besondere Erlaubnis und ohne Bewilligung der Wasserrechtsbehörde unentgeltlich gestattet (Gemeingebrauch, § 8 Abs 2 WRG).
Die Benutzung der privaten Tagwässer sowie die Errichtung oder Änderung der hiezu dienenden Anlagen bedarf dann einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde, wenn hiedurch auf fremde Rechte oder infolge eines Zusammenhanges mit öffentlichen Gewässern oder fremden Privatgewässern auf das Gefälle, auf den Lauf oder die Beschaffenheit des Wassers, namentlich in gesundheitsschädlicher Weise, oder auf die Höhe des Wasserstandes in diesen Gewässern Einfluss geübt oder eine Gefährdung der Ufer, eine Überschwemmung oder Versumpfung fremder Grundstücke herbeigeführt werden kann (§ 9 Abs 2 WRG).
Wasserrechtliche Bewilligungspflicht und Schnittstellen
Wasserrechtliche Bewilligungen werden nach Durchführung eines im WRG näher geregelten Verfahrens erteilt. Voraussetzung jeder wasserrechtlichen Bewilligung ist ein Antrag des Bewilligungswerbers. Die Angaben, die ein solcher Antrag enthalten muss, ergeben sich aus § 103 WRG.
Der wasserrechtlichen Bewilligungspflicht unterliegen unter anderem:
- jede über den Gemeingebrauch hinausgehende Benutzung der öffentlichen Gewässer sowie die Errichtung oder Änderung der zur Benutzung der Gewässer dienenden Anlagen (§ 9 Abs 1 WRG);
- die Gewinnung von Sand und Kies, wenn sie mit besonderen Vorrichtungen erfolgt (§ 31c);
- Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit beeinträchtigen, wie die Einbringung von Stoffen in festem, flüssigen oder gasförmigen Zustand mit den dafür erforderlichen Anlagen oder Maßnahmen, die zur Folge haben, dass durch Eindringen von Stoffen in den Boden Grundwasser verunreinigt wird (§ 32 WRG);
- die Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und von Bauten an Ufern (§ 38 WRG);
- Entwässerungsanlagen, sofern es sich um eine zusammenhängende Fläche von mehr als 3ha handelt oder eine nachteilige Beeinflussung der Grundwasserverhältnisse des Vorfluters oder fremder Rechte zu befürchten ist (§ 40 WRG);
- die Errichtung von Schutz- und Regulierungswasserbauten (§ 41 WRG).
Die Bewilligung zur Benutzung eines Gewässers ist zu befristen. Die Frist darf bei Wasserentnahmen für Bewässerungszwecke 25 Jahre und sonst 90 Jahre nicht überschreiten (§ 21 Abs 1 WRG).
Schnittstellen
Beim Wasserrecht handelt es sich um eine Rechtsmaterie, die zahllose Schnittpunkte mit anderen Rechtsmaterien aufweist. Diese Schnittstellen bestehen sowohl im öffentlichen Recht (zB Baurecht, Gewerberecht, Forstrecht, Bergrecht, Eisenbahnrecht, Abfallrecht, Elektrizitätsrecht) als auch im Zivil- und Strafrecht.